Gemeinsam einsam

Wir alle können unseren Beitrag leisten, damit sich weniger Menschen ausgeschlossen fühlen

«Einsamkeit hat viele Gesichter» lautet der ausdrucks­starke Titel des Films von Regisseurin Romana Lanfranconi. Sieben Menschen erzählen darin ihre Geschichte und wie sie mit ihrer Einsamkeit umgehen. Mit den Porträts helfen sie, dass über das Thema gesprochen wird und wir uns gewahr werden, wie vielen Menschen es wohl so geht. Einsamkeit fühlt sich nicht für alle gleich an, die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich und auch alters­ab­hängig. Wie schnell es gehen kann, dass Menschen, die sich sozial gut eingebettet fühlten, in die Einsamkeit rutschen und was die Folgen davon sind, hat uns das Jahr 2020 eindrücklich vor Augen geführt. Nicht nur die Psyche leidet dann, auch die körperliche Gesundheit wird beeinflusst. Besonders verzwickt dabei: Einsamkeit ist oft nicht sichtbar. Und es ist kein Thema, mit dem Betroffene hausieren gehen.

Aussenwelt als Trigger

Manchmal entsteht das Gefühl der Einsamkeit erst durch Reaktionen der Gesell­schaft. Bemerkungen wie: «Was, so ein toller Mensch wie du ist in keiner Partner­schaft?» sollen aufmunternd klingen, bewirken aber eher das Gegenteil. Ich erinnere mich immer noch lebhaft daran, wie ich mich fühlte, als ich vor rund 15 Jahren alleine ins Kino ging und sowohl bei der telefo­nischen Bestellung des Tickets – was damals noch gang und gäbe war – als auch später beim Abholen an der Kinokasse mehrmals gefragt wurde, ob ich denn wirklich nur einen Platz benötige. Das war verletzend und führte dazu, dass ich – obwohl mitten unter Menschen – plötzlich sehr alleine und einsam war. Das muss jedoch nicht so sein. Wenn mit einem positiven Gefühl verbunden, kann man sich auch in einer Gruppe von Menschen, die man nicht kennt, zugehörig fühlen. Dies lässt sich gerade bei älteren Menschen immer wieder beobachten.

Wir als Einzelne und als Gesell­schaft haben es in der Hand

Es sind also nicht immer nur die grossen Taten gefragt, damit sich Menschen zugehörig fühlen. Auch kleine Gesten können viel bewirken und bewegen. Ein Gespräch mit der Person, die alleine dasitzt am Nebentisch oder auf einem Bänkli sowie eine Einladung an Sonn- und Feiertagen ist schon viel Wert, denn nicht immer traut man sich, wenn man alleine ist, andere anzusprechen oder zu fragen, ob man denn auch dabei sein darf. Noch heute bin ich darum meinen Freunden von Herzen dankbar, dass ich so oft ganz unkompliziert und selbst­ver­ständlich an ihrem Famili­enleben teilhaben durfte – gerade auch an den Wochenenden. Natürlich ist mir klar, dass dies nicht für jede und jeden passt. Nicht alle werden so erreicht und private Initiativen entschärfen das Problem nur teilweise. Es braucht flankierend physische und virtuelle Räume, um sich über alle Alters­stufen hinweg nieder­schwellig auszutauschen und Lösungswege zu finden. Doch wie können und sollen solche Angebote ausgestaltet sein?

Austausch­ge­spräche mit grosser Wirkung

Über Einsamkeit und die Bedürfnisse der Betroffenen habe ich diverse Gespräche geführt in den letzten Wochen. Diese brachten mir einerseits neue Erkenntnisse und andererseits ist etwas ganz Wunderbares passiert: Meine Kollegin Eva Zwahlen, die neben ihrer Tätigkeit als selbst­ständige Kommuni­ka­ti­ons­spe­zia­listin Soziale Arbeit studiert, hat ebenfalls einen Blogbeitrag realisiert. Sie interviewte die Regisseurin und ihre Schwester, die im Bereich Soziale Arbeit forscht, zum Thema und dem Beitrag, den die soziale Arbeit leisten könnte zur Verbes­serung der Situation.

Birgitta Schermbach – sie arbeitete lange als Führungskraft im Gesundheits- und Sozialwesen und ist nun als Humorosophin für Menschen da, gerade auch, wenn sie einsam sind – hat im Rahmen unseres Telefonats entschieden, dass Thema ins Programm ihrer Erzählräume (www.birgit­ta­schermbach.ch) aufzunehmen. Damit entsteht eine neue Plattform, um über das Thema zu sprechen. Ich bin gespannt, ob und wann dieser erste Erzählraum stattfindet und was sich daraus ergibt. Im besten Fall wird aus einsam gemeinsam…

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